Positionen

Positionen des Landesverbands zur Fortschreibung des Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) nach dem Entwurf der interfraktionellen Arbeitsgruppe des bayerischen Landtags vom März 2011

  1. LERNEN FÖRDERN begrüßt die UN-Behindertenrechtskonvention und die damit verbundene Absicht, eine inklusive Gesellschaft zu entwickeln, uneingeschränkt.
  2. Die Aspekte der Inklusion betreffen insbesondere auch Menschen mit Lernbehinderungen, Lernschwierigkeiten und Lernbeeinträchtigungen, im Folgenden kurz „ … mit Förderbedarf (Lernen“). Für diese Gruppe von Menschen sind in den letzten 50 Jahren in Deutschland und Europa vielfältige Bildungsangebote und Bildungsformen entwickelt worden.
  3. Es hat sich eine eigenständige Disziplin der Sonderpädagogik entwickelt,  in der speziell Studenten für das Lehramt an Schulen zur Lernförderung ausgebildet werden. Für die Verwirklichung der Inklusion wird der Bedarf an ausgebildeten Sonderpädagogen noch signifikant zunehmen.
  4. In Bayern und in den übrigen Bundesländern wurde in den letzten 50 Jahren das Förderschulwesen sukzessive entwickelt und ausgebaut. Im letzten Jahrzehnt  hat dieses bereits eine zunehmende Differenzierung erfahren (BayEUG 2003).
  5. Das Förderschulwesen hat zu einer deutlichen Qualitätsverbesserung in der schulischen Bildung von Menschen mit Förderbedarf geführt. Der Preis dafür war die Zusammenführung  der  Zielgruppe in den Förderschulen und damit eine Separation von den Gleichaltrigen in den Regelschulen.
  6. Demzufolge stellt sich für die Förderschulen insbesondere die Frage, wie sie sich den Anforderungen und der Herausforderung der Inklusion stellen. Mit dem überparteilichen Gesetzentwurf der Abgeordneten des bayerischen Landtags wurde der gemeinsame Wille zur Veränderung  ausgedrückt und eine weitere Öffnung / Durchlässigkeit des bayerischen Schulwesens auf den Weg gebracht.
  7. Für LERNEN FÖRDERN ist es nicht entscheidend, in welchem Schultyp junge Menschenmit Förderbedarf  unterrichtet werden. Vielmehr muss sichergestellt sein, dass die Qualität und die Fachlichkeit der Schulbildung den Bedürfnissen der Zielgruppe angemessen sind und dadurch eine berufliche Perspektive und Teilhabe ermöglicht wird. Unabhängig von zusätzlicher Unterstützung durch Heilpädagogen sollte der Unterricht auf alle Fälle von Lehrern der jeweiligen Behindertenfachrichtung gehalten werden. Die Grundforderungen (kleine Klassen,  gut ausgebildete Lehrer, individuelle Lehrpläne und individuelle Förderung) gelten immer, unabhängig vom betrachteten Schultyp.
  8. Die zukünftigen Veränderungen im Bildungsangebot für jungen Menschen mit Förderbedarf zielen insgesamt auf eine weitere Durchlässigkeit der Schultypen Regelschule/Förderschule. LERNEN FÖRDERN befürwortet stetige und kontinuierliche Übergänge zu neuen Unterrichtsformen in Sinne des Inklusionsgedankens. Dabei muss für junge Menschen mit Förderbedarf weiterhin ein Angebot im Sinne einer individuellen Förderung bestehen bleiben und weiterentwickelt werden.
  9. Alle Schularten d.h. auch die Förderschulen müssen offen sein für die Aufnahme von Kindern mit und ohne besonderen Förderbedarf.  D.h. auch die bisherigen Förderschulen müssen sich zu inklusive Schulen entwickeln können. Dabei ist ihre besondere Kompetenz für die Förderung von Kindern mit besonderem Förderbedarf von großer Bedeutung. Zu den ersten 30 Profilschulen müssen zügig weitere Schulen dazukommen, damit schnell ein flächendeckendes Angebot an inklusiven Schulformen erreicht werden kann.
  10. Falls junge Menschen mit anerkanntem Förderbedarf  in der (inklusiven) Regelschule gemeinsam mit Gleichaltrigen ohne Förderbedarf unterrichtet werden, dann ist sicherzustellen, dass eine individuelle Förderung vergleichbar der Förderschule gewährleistet ist (individuelle Lernziele, kleine Klassen, zweite Lehrkraft, usw.).  Alle bekannten Untersuchungen zu den Kosten eines solchen Modells haben zum Ergebnis, dass hier beträchtliche  Zusatzkosten auf das Schulsystem zukommen. Selbst nach dem jetzigen Gesetzentwurf der interfraktionellen Arbeitsgruppe zum BayEUG, der eine sukzessive Einrichtung von Schulen mit dem „Schulprofil Inklusion“ vorsieht, wird bereits in der Anfangszeit ein zusätzlicher Bedarf an 100 bis 200 speziell dafür ausgebildeter Lehrern gesehen. Ohne diese zusätzlichen Lehrer in der inklusiven Schule sieht LERNEN FÖRDERN lediglich eine Verschlechterung des Bildungsangebots für  junge Menschen mit Förderbedarf und damit letztlich ein Sparmodell für den Bildungshaushalt. Eine dauerhafte Zweigleisigkeit Inklusionsschule/Förderschule erscheint ökonomisch nicht leistbar. Die Auflösung der Förderschulen kann nur akzeptiert werden, wenn die Regelschule in der Lage ist, ein (an Maßstäben der individuellen Förderung gemessen)wirklich gleichwertiges Bildungsangebot bereitzustellen.

Fazit: Die Verwirklichung von Inklusion ist die Verwirklichung von elementaren Menschenrechten. LERNEN FÖRDERN begrüßt den Umbau des Bildungssystems in Bayern im Sinne der Inklusion. Dieser Umbau muss alle gesellschaftlichen Ebenen und Schultypen umfassen. Inklusion wird nicht dadurch erreicht, dass Förderschulen abgeschafft und Menschen mit Förderbedarf der Regelschule zugeordnet werden, ohne dass sich die Regelschulen signifikant ändern. Erst wenn die Regelschulen „Fit für die inklusive Schule“ sind, kann der Anteil der Förderschulen schrittweise reduziert werden. Mit Unterstützung der Kompetenzen und Erfahrungen der Förderschulen  sollten in der Regelschule schrittweise inklusive Unterrichtsformen entwickelt werden. Der Landesverband LERNEN FÖRDERN Bayern wird die sich entwickelnden Modelle der Inklusion kontinuierlich beobachten und  weiter den Erfahrungsaustausch mit allen Beteiligten (Eltern, Lehrer, Ministerium, Vereine, Verbände) suchen und vertiefen.

 

Der Vorstand des LERNEN FÖRDERN Landesverbands Bayern e.V.